Erfahrungen mit Homeoffice

Interview mit einem Betriebsrat der Telekom

Spätestens seit der Corona-Pandemie ist Home-Office in aller Munde. Zum Teil wird es sogar als die zukünftige Form der Arbeit gesehen. Fällt einerseits für Viele die lange Fahrzeit weg, gibt es aber auch Probleme: Der Arbeitsplatz zuhause lässt sich nicht immer optimal einrichten, der Kontakt zu den Kolleg*innen fehlt und es besteht die Gefahr einer grenzenlosen Ausdehnung der Arbeitszeit. Der Telekomkonzern stellt sich darauf ein, dass Home-Office auch nach der Pandemie eine große Rolle spielen wird und plant die Abmietung von Gebäuden in Darmstadt.

Über Erfahrungen mit dem Home-Office aus Sicht der Arbeitnehmer*innen und vom gewerkschaftlichen Standpunkt sprachen wir mit Bernd Blümmel. Bernd Blümmel ist Betriebsrat bei der Deutsche Telekom IT GmbH (DT IT) - Betrieb Hessen und Vorsitzender des Fachbereichs Telekommunikation / IT bei ver.di Südhessen

uz im betrieb: Seit der Corona-Pandemie ist das Home-Office weit verbreitet. In welchem Ausmaß findet das Home-Office im Telekomkonzern statt?

Bernd Blümmel: Schon vor der Pandemie kam es regelmäßig vor, dass Kolleginnen und Kollegen 1 bis 2 mal pro Woche von zuhause gearbeitet haben. Der Konzern Deutsche Telekom schließt seit vielen Jahren massiv Niederlassungen und Standorte. Das hat dazu geführt, dass viele Kolleginnen und Kollegen erheblich längere Strecken zurücklegen müssen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Auf Grund der Pandemie wurde den Beschäftigten von der Konzernleitung nahegelegt, im Home-Office zu arbeiten. Die meisten nehmen das gerne wahr. Sie sparen Fahrtzeiten und -kosten. Aktuell arbeiten in Darmstadt in Gebäuden, die für 1.800 bis 2.000 Beschäftigte ausgelegt sind, höchstens 20 bis 50 Kolleginnen und Kollegen.

uz im betrieb: Wie wird das Home-Office von den Beschäftigten wahrgenommen?

Bernd Blümmel: Auf Grund der Standortreduzierungen nehmen die Kolleginnen und Kollegen die Angebote natürlich gerne wahr. Das wird noch durch verschiedene andere Maßnahmen verstärkt, die von der Telekom in den letzten Jahren ergriffen wurden. Dazu zählen das sogenannte "Desksharing" und der Umzug der Kolleginnen und Kollegen in Großraumbüros. Es gibt immer weniger persönliche Arbeitsplätze (Desksharing) und im Großraumbüro sind viele Tätigkeiten, die höhere Konzentration erfordern, kaum möglich. Da fällt es dann leicht, der Aufforderung des sogenannten Konzernlagezentrums (Krisenstab der Telekom während der Pandemie) nachzukommen und von zuhause aus zu arbeiten.

uz im betrieb: Welche Probleme seht ihr als Betriebsrat und als gewerkschaftlich Aktive beim Home-Office?

Bernd Blümmel: Die Probleme sind ähnlich. Das betrifft vor Allem den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen. Der kurze Weg ins Betriebsratsbüro oder zu den gewerkschaftlichen Vertrauensleuten ist nicht mehr möglich. Beratungen müssen telefonisch erfolgen und Vieles, was im persönlichen Gespräch noch an Infos transportiert wird, kommt dann nicht rüber.
Außerdem arbeiten viele im Home-Office mehr als im Büro. Der kurze Plausch mit den Kolleginnen und Kollegen fällt weg. Oder der gemeinsame Gang zum Mittagessen in die Kantine. Die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten oder Ruhezeiten hängt an den Lohnabhängig Beschäftigten. Wenn dann mehr Arbeitszeit erbracht wird, als tarifvertraglich vereinbart, dann werden Betriebsrat und Gewerkschaft das bei der nächsten Personalabbaurunde regeln müssen.
Daneben führt natürlich die Arbeit im Home-Office zur Vereinzelung. Die Solidarität zwischen den Kolleginnen und Kollegen geht verloren. Der gemeinsame Austausch, eine wesentliche Voraussetzung für diese Solidarität, fehlt.

uz im betrieb: Welche Maßnahmen trifft der Betriebsrat, um weiter in Kontakt mit den Kolleg*innen im Home-Office zu bleiben?

Bernd Blümmel: Als Betriebsräte versuchen wir, über virtuelle Ansprachen und Angebote den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen aufrecht zu erhalten. So haben wir beispielsweise zu neuen Vereinbarungen Videokonferenzen organisiert, um mit den Beschäftigten über die Regelungen zu diskutieren. Wir haben über den neuen Entgeltrahmentarifvertrag und die neue Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit informiert und diskutiert. Die Angebote wurden auch sehr gut angenommen. Auch die letzte Betriebsversammlung fand als Videokonferenz statt. Und auch hier war die Teilnahme deutlich höher als bei den Betriebsversammlungen vor Ort.

uz im betrieb: Welche betrieblichen oder tarifvertraglichen Regelungen gibt es zum Home-Office?

Bernd Blümmel: Zu Home-Office konkret gibt es bei der Telekom keine Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen. Es existieren Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zum Thema Mobile Working (Arbeiten außerhalb der Regelarbeitsstätte). Außerdem gibt es einen Tarifvertrag zu Tele-Heimarbeit (bei beidseitiger Freiwilligkeit, aber mit Anforderungen an die Arbeitsplatzausstattung) und Betriebsvereinbarungen zum Thema "Desksharing". Diese existierten aber bereits vor der Pandemie.

uz im betrieb: Habt ihr Erfahrungen, ob Home-Office besonders belastend für die weiblichen Kolleginnen ist, z. B. wegen der Kinderbetreuung?

Bernd Blümmel: Die psychischen Belastungen auf Grund der Einschränkungen sind für alle Kolleginnen und Kollegen hoch. Und natürlich schultern die Kolleginnen immer noch den überwiegenden Teil der Aufgaben im Haushalt, bei der Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen. Das verschärft sich natürlich durch die Reduzierung der öffentlichen Erziehungs- und Bildungsangebote (Schließung von Kindertagesstätten, Kindergärten und Schulen). Mit dem Begriff "Homeschooling" verbinden Eltern in den wenigsten Fällen positive Erfahrungen. Wir stellen fest, dass viele Kolleginnen und Kollegen mit dem Arbeitgeber aktuell zusätzliche freie Tage (bei Lohnabsenkung) vereinbaren. Die Mehrzahl sind auch hier Frauen. Eine Begründung dafür erhalten wir als Betriebsräte nicht, aber es ist naheliegend, dass die Betreuung von Kindern hier keine unmaßgebliche Rolle spielt.

uz im betrieb: Wie wirkt sich das Home-Office auf die gewerkschaftliche Arbeit im Betrieb aus, welche neue Ansprechformen entwickelt ihr?

Bernd Blümmel: Die gewerkschaftliche Arbeit lebt, wie jede politische Arbeit, vom persönlichen Kontakt. Der ist seit Beginn der Pandemie nur noch sehr eingeschränkt möglich. Wir versuchen den Kontakt zu unseren Mitgliedern über technische Möglichkeiten (Telefon- und Videokonferenzen) aufrecht zu erhalten. Das funktioniert bisher auch ganz gut. Aber noch ist das eine Notlösung. Wir wissen beispielsweise noch nicht, wie wir unter diesen Bedingungen einen Arbeitskampf oder Warnstreiks führen können. Das sind Formen des Widerstandes, die gerade im gemeinsamen Erleben der Auseinandersetzung eine eigene Dynamik entwickeln. Wie das bei virtuellen Zusammenkünften aussehen soll, kann ich mir noch nicht vorstellen.

uz im betrieb: Was glaubst du, wie es mit dem Home-Office nach einem möglichen Ende der Pandemie weitergeht?

Bernd Blümmel: Ich gehe stark davon aus, dass Home-Office auch nach der Pandemie bei der Telekom (und wahrscheinlich nicht nur dort) eine wesentliche Rolle spielen wird. Durch die Reduzierung der Standorte und Niederlassungen, durch Desksharing und durch Großraumbüros hat der Arbeitgeber inzwischen starke Anreize geschaffen, die bewirken, dass die Kolleginnen und Kollegen es vorziehen, von zuhause zu arbeiten. Und er spart dabei noch eine Menge Geld. Heizkosten, Strom, Wasser, Reinigungs- und Sicherheitspersonal sind nur einige Posten, die mir da spontan einfallen. Und die Kolleginnen und Kollegen arbeiten mindestens genauso effektiv von zuhause. Wir werden also lernen müssen, damit als Betriebsräte und Gewerkschaft umzugehen.

uz im betrieb: Baut der Konzern Büroräume ab, wenn ja etwa wie viel?

Bernd Blümmel: Aktuell gibt es Planungen, eines von drei Gebäuden in Darmstadt abzumieten. Allerdings sind die Mietverträge auf mehrere Jahre angelegt und sind nicht ohne Weiteres kurzfristig kündbar. Die Arbeitgeberseite ist inzwischen an die Betriebsräte herangetreten, um über weitere Flächenreduzierungen zu verhandeln. An dieser Stelle will der Konzern auf jeden Fall weiter Kosten einsparen.