Digitalisierung

Fluch oder Segen für Beschäftigte und Gesellschaft?

"Industrie 4.0", "Büro 2.0", "Neue Produktions- und Arbeitsformen": Die aktuelle Entwicklung der Produktionsmittel und -formen ist unter den verschiedensten Begriffen in allen Medien präsent, oft als Chance bezeichnet, gelegentlich verteufelt. Hier der Versuch einer Einschätzung.

Begriffsbestimmung und Geschichte

Der Begriff "Digitalisierung" lässt sich auf das Eigenschaftswort "digital" zurückführen. Digital bedeutet, dass 2 Zustände existieren, und wird in der Elektronischen Datenverarbeitung (Zustand 0 = Kein Signal, Zustand 1 = Signal liegt an) verwendet. Die digitale Darstellung ist eine Voraussetzung für die EDV (Strom fließt / Strom fließt nicht). Es lassen sich über die beiden Zustände logische Verknüpfungen definieren, die komplexere Sachverhalte abbilden.

Digitalisierte Abläufe gibt es seit der Erfindung der ersten Computer in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Die Eigenschaft, in kurzer Zeit automatisiert komplexe Rechenoperationen durchführen zu können, nutzte zuerst das Militär, um Geschossflugbahnen zu berechnen. In Gesellschaftsformen, die weniger auf Expansion und die Ausbeutung anderer Länder angewiesen waren, wurde die Rechenleistung verwendet, um die Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs zu planen (DDR und UdSSR). Die Technologie steckte zu dieser Zeit allerdings noch in den Kinderschuhen.

Mit der in den letzten Jahren entstandenen Möglichkeit, enorme Datenmengen vorzuhalten und über schnelle Verbindungen (VDSL, LTE, G5) zu übertragen und zu verknüpfen, hat die Elektronische Datenverarbeitung (EDV) einen qualitativen Sprung erlebt. Dieser bestand darin, dass nicht mehr nur komplexe Berechnungen in kurzer Zeit automatisiert erfolgen konnten, sondern auch die Voraussetzungen für Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) geschaffen wurden. Selbstlernende Systeme, die Massendaten in kürzester Zeit auswerten und aus den Auswertungen Handlungsoptionen ableiten, sind nur wegen der technischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte möglich.

Stress, hohe Taktraten

Die aktuelle Entwicklung, die mit dem Begriff "Digitalisierung" bezeichnet wird, beinhaltet die Anwendung Künstlicher Intelligenz (selbstfahrende Verkehrsmittel, computergestützte Diagnose in der Medizin, ...), aber auch neue Formen der Produktion (3D-Drucker) und der Güterverteilung / Logistik (Uber, MyHammer, Crowdworking). In diesem Zusammenhang entstehen neue Arbeitsweisen (Agiles Arbeiten wie z.B.: Scrum etc.) und Arbeitsverhältnisse.

Diese sind zunehmend geprägt durch Stress, hohe Taktraten (d.h. sehr kurze Entwicklungszyklen) und schwindende Sicherheit für die Beschäftigten.

Vielen dieser Entwicklungen im Bereich Produktion, Planung und Verteilung (Disposition) ist gemeinsam, dass sie den Bedarf menschlicher Arbeitskraft und -zeit zur Herstellung gesellschaftlich notwendiger Güter und Dienstleistungen erheblich reduzieren. Die Digitalisierung bietet also die Möglichkeit, die Güter und Dienstleistungen, die von der Bevölkerung benötigt werden, in deutlich kürzerer Zeit und mit weniger Einsatz von natürlichen Ressourcen und menschlicher Arbeitskraft zu erzeugen.

Gesellschaftliche Bedingungen

Die gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen sich der Prozess der Digitalisierung vollzieht, geben ihm eine eindeutige Richtung und behindern seine vollständige Entfaltung. Die Richtung, die durch die gesellschaftlichen Verhältnisse vorgegeben wird, ist gegen die Produzenten des gesellschaftlichen Reichtums, gegen die arbeitenden Menschen gerichtet.

Der sinkende Bedarf an menschlicher Arbeitskraft wird umgesetzt in Personalabbau und zugleich verschärft durch Arbeitsverdichtung bei denen, die ihren Job noch haben. Die kapitalistische Notwendigkeit der Steigerung der Profite zur Sicherung der eigenen kapitalistischen Existenz lässt keinen anderen Weg zu.

Die modernsten Produktionsverfahren, die fortschrittlichsten Produkte werden dort eingesetzt, wo die höchsten Profite erzielt werden können. Die Rüstungsindustrie entwickelt Maschinen, die KI-gesteuert eigenständig gegnerische "Objekte" eliminieren. KI-gesteuerte Drohnen stehen ganz oben auf der Wunschliste der NATO- und EU-Militärs (1). Eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Digitalisierung wird es unter der Logik des kapitalistischen Profitsystems nicht geben.

(1)

https://www.deutschlandfunkkultur.de/ki-entwickler-zu-killerrobotern-schaffung-autonomer-waffen.1008.de.html?dram:article_id=426590

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/aus-dem-maschinenraum/wie-sich-die-nato-auf-autonome-waffensysteme-vorbereitet-15455737.html