Beschlagnahme von Spendenmitteln des Rechtshilfefonds für die Verteidigung von Slobodan Milosevic

Schriftliche Anfrage an die EU-Kommission Eingebracht von Sahra Wagenknecht, MEP, (PDS) (Mitte Oktober 2005)

Am 19. Juli 2005 beschlagnahmten die deutschen Finanzbehörden das Spendenkonto des Rechtshilfefonds für die Verteidigung des ehemaligen Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien Slobodan Milosevic. Die Behörden durchsuchten die Wohnung des Schatzmeisters der Deutschen Sektion des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Milosevic (ICDSM). Sie beschlagnahmten seinen Computer, Akten und Dokumente und pfändeten das Spendenkonto. Die Aktion stützt sich nach Auskunft der deutschen Behörden auf die Verordnung (EG) Nr. 2488/2000 vom 10 November 2000 über die Aufrechterhaltung des Einfrierens von Geldern betreffend Herrn Milosevic und Personen seines Umfeldes, geändert mit Verordnung (EG) Nr. 1205/2001 vom 19 Juni 2001.

Bereits im September 2003 wurde das Spendenkonto der Deutschen Sektion von ICDSM von einer deutschen Bank eingefroren, musste jedoch wieder freigegeben werden, weil das Amtsgericht Darmstadt (Az.: 300 C 393/03) in einem Beschlussverfahren völlig zutreffend feststellte: "Auch der Verweis der Beklagten auf die europäische Verordnung 1205/2001 ist für das Gericht nicht ausreichend. Zum einen ist schon fraglich, ob die Verordnung nach ihrem Inhalt auf den fraglichen Fall paßt. Darin ist nämlich geregelt, daß solche Gelder und finanziellen Mittel einzufrieren sind, die Herrn Milosevic oder Personen seines Umfelds gehören. Darunter fällt nach Auffassung des Gerichts nicht die Sammlung von Geldern für eine Verteidigung, da es sich dabei um einen Rechtshilfefonds handeln soll, nicht aber um eine Übereignung der Gelder an Slobodan Milosevic. Nach rechtsstaatlichen Grundsätzen hat jeder Mensch Anspruch auf Verteidigung vor einem Strafgericht, sodaß prinzipiell die Sammlung von Spenden für eine bis zur Verurteilung als unschuldig geltende Person nicht zu beanstanden ist".

  1. Ist der Kommission bekannt, dass deutsche Finanzbehörden eine EG-Verordnung benutzen, um die Verteidigung von Slobodan Milosevic vor dem Internationalen Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien ernsthaft zu behindern, indem sie Spenden beschlagnahmen, die für einen Rechtshilfefonds gesammelt wurden?
  2. Ist der Kommission bewusst, dass sich die deutschen Finanzbehörden mit dieser Aktion über das Grundrecht jedes Menschen auf angemessene strafrechtliche Verteidigung hinweggesetzt haben, obgleich ein deutsches Gericht völlig zu Recht die betreffende EG-Verordnung in dieser Angelegenheit bereits für nicht anwendbar erklärt hat?
  3. Ist die Kommission bereit, die nötigen Schritte zu unternehmen um sicher zu stellen, dass die betreffende EG-Verordnung nicht länger zur Rechtfertigung eines Eingriffs in das Grundrecht auf strafrechtliche Verteidigung sowie in das Recht auf verfassungsgemäße Vereinstätigkeit missbraucht werden kann?