Einladung zu einem Rundgang über den Alten Friedhof am 9. Oktober 2016

Der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt hat kürzlich ein Taschenbuch herausgegeben, Darmstädter Ehrengräber: Biographien und Bewertungen (Darmstadt: Justus von Liebig Verlag, 2016). Das Biogramm Heinrich von Gagerns, des Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung von 1848, mündet in der despektierlichen Floskel: "Aus Sicht des Fachbeirats liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gründe vor, die eine Aberkennung des Ehrengrabs rechtfertigen".

Dieser Ausrutscher mag stellvertretend für zahlreiche weitere Mängel des Buchs stehen, die während eines Rundgangs über den Alten Friedhof der Kritik ausgesetzt werden sollen. Die Historiker Peter Behr und Fred Kautz lenken den Blick auf neun Ruhestätten von Frauen und Männern und werfen dabei die Frage auf, wie die Stadt Darmstadt mit den Verdiensten ihrer einstigen Einwohner umgeht: Wer hat Anspruch auf ein Ehrengrab? Welche Verdienste können durch ein Ehrengrab gewürdigt werden? Gibt es einen schlüssigen Kriterienkatalog zur Vergabe von Ehrengräbern? Gelten für alle in Frage kommenden Verdienste dieselben Maßstäbe?

Die Materie ist weniger trocken, als es auf ersten Blick scheint, denn sie hat konkrete Auswirkungen: Wie konnte es geschehen, dass ein Totengräber der Weimarer Republik bis in unsere Tage in einem städtischen Ehrengrab ruhen durfte, während Persönlichkeiten, die dem Nationalsozialismus Widerstand geleistet und sich aktiv am Aufbau der Demokratie in Westdeutschland beteiligt haben, dieser Ehrung noch nicht zuteil geworden sind? Handelt es sich bei einem Ehrengrab, das alljährlich Ziel öffentlichen Gedenkens ist, überhaupt um die letzte Ruhestätte des Geehrten? Warum regte sich im vergangenen Jahr, als an den hundertsten Jahrestag vom Beginns des Völkermords an den Armeniern erinnert wurde, niemand darüber auf, dass ein deutscher General, der sich in der Türkei der Deportation verfolgter Minderheiten entgegenstellt hatte, in Darmstadt nicht mehr eines Ehrengrabes würdig sein soll?

Der Rundgang soll etwa zwei Stunden lang dauern, er wird bei jedem Wetter stattfinden. Treffpunkt um 14 Uhr ist der Haupteingang des Alten Friedhofs, Herdweg 105.