Es kracht an der Akropolis
Angriff auf das Streikrecht in Griechenland
Wie zu erwarten haben alle 153 Abgeordneten von Syriza und ANEL am Montag im griechischen Parlament der Gesetzesvorlage, die unter anderem Gewerkschaftsrechte stark beschneidet, zugestimmt. Eine weitere Abgeordnete, die vor einigen Monaten die Zentrumsunion verlassen hatte und fraktionslos wurde, kam noch hinzu. Diese Abgeordnete wurde von Tsipras nach der Abstimmung in die Syriza-Fraktion aufgenommen. 141 Abgeordnete stimmten gegen das Gesetz. In den Straßen Athens gab es ganztägig eindrucksvolle Massenproteste. Die Polizei ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Protestierenden vor.
Das "Reformpaket", das mehrere 100 Seiten umfasst, dient der Förderung der Kapitalinteressen und der Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiterklasse einschließlich der Aushebelung des Streikrechts. So müssen zum Beispiel mindestens 51 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder bei der Abstimmung über einen Streik persönlich anwesend sein und zustimmen.
Es handelt sich damit um ein sogenanntes Mammut-Gesetz. Der Entwurf beinhaltet 400 Paragraphen auf 630 Seiten Gesetzestext und weitere 900 Seiten Begleittext. Das Streikrecht ist nur ein - wenn auch ein kritischer - Punkt. Es geht zudem um die Änderung der Kriterien für das ohnehin ärmliche Kindergeld, die Möglichkeit, Zwangsversteigerungen zugunsten von Banken und Finanzkassen elektronisch durchzuführen sowie weitere Regelungen wie die Lizensierung von Spielhallen, Mautstellen für die Egnatia-Autobahn usw.
So einfach ist - zumindest in Griechenland - der Verrat an der Arbeiterklasse aber nicht, denn die wehrt sich unter anderem gegen die Zerschlagung des Streikrechts. Nach mehreren Demonstrationen und einem Generalstreik am 14. Dezember zogen am Dienstag vor einer Woche rund 500 klassenbewusste Arbeiterinnen und Arbeiter, vornehmlich in der PAME organisiert, vor das Athener Arbeitsministerium, erstürmten das Foyer und gelangten schließlich direkt in das Büro von Arbeitsministerin Efi Achtsioglu, wo sie ihre Forderungen vortrugen. In der kapitalorientierten Schreibe des "Handelsblattes" heißt es: "Dort brüllten sie die zu diesem Zeitpunkt anwesende Politikerin an."
Dem SZ-Korrespondenten soll die Ministerin anvertraut haben, dass die Sparvorgaben "nicht nötig" gewesen seien. Aber sie ist trotzdem ein williges Rad in der Umsetzung der "Reformen". Die "Süddeutsche Zeitung" hat anlässlich der von Tsipras organisierten Personalrochade im Ministerium hinter den Vorhang geschaut: "Es sah so aus, als würde nur jemand gebraucht, um die Schmutzarbeit zu Ende zu bringen, eine Vollstreckerin." Schließlich sollen insgesamt 256 Milliarden Euro, mit denen sich der Kapitalismus in Griechenland retten ließ, wieder bei den Verleihern landen. Ohne Schuldenschnitt, wie Wolfgang Schäuble immer wieder verlangte und auch durchsetzte.
Am vergangenen Freitag wurden die Aktionen fortgesetzt. Aufgerufen hatten 14 regionale Gewerkschaftsverbände unter anderem aus Piräus, Ioannina und Larissa, die Branchengewerkschaften Ernährung, Textilindustrie Bau, Pharma, Druck und Papier, der Steuerberater, Krankenhausärzte, Verkehrsbetriebe und Seeleute. Der Gewerkschaftsbund GSEE rief nicht zur Teilnahme am Generalstreik auf.
Tsipras behauptet, mit dem "Reform- und Sparpaket" das "Hilfsprogramm" von EU und IWF, Europäischem Stabilitätsfonds (ESM) und Europäischer Zentralbank (EZB) überwinden zu wollen. Die Euro-Gruppe will 5,5 Milliarden Euro vorstrecken. Die dienen aber nur dazu, bereits bestehende Schulden "abzubauen". Das Diktat des Kapitals wird nicht aufgehoben. Viele Griechen sehen sich daher zu individuellen "Lösungen" gezwungen: 500 000 - vielfach gut qualifiziert - haben das Land in den letzten zehn Jahren verlassen.
Um an das Geld derer, die geblieben sind, zu kommen, will Tsipras seine Landsleute mit dem neuen Gesetz in die Knie zwingen. Offensichtlich hat der "Syriza-Sozialist" Tsipras verstanden, wie er, außer mit ständigen Steuererhöhungen, so gegen die Arbeiterklasse vorgehen kann, dass es weh tut. Jetzt will er der Gewerkschaft vorschreiben, wann gestreikt werden kann.
Quelle: UZ Ausgabe 19.01.2018, Uwe Koopmann