It´s a long way to ...

Telekom, Pendler, Standorte und das Klima

"Ihr Büro ist da, wo Sie sind”, wirbt die Deutsche Telekom bei ihren Geschäftskunden für flexible Kommunikationslösungen, die das Arbeiten erleichtern sollen. Man habe sich "schon früh Gedanken darüber gemacht, wie sich Beruf, Familie und Freunde besser miteinander in Einklang bringen lassen”, rühmt sich die Telekom im Internet.

Für viele Beschäftigte klingt das wie Hohn. Nach der x-ten Umorganisation und wieder einem neuen Standortkonzept sind viele frustriert. Zitat aus einem Leserbrief in einer deutschen Tageszeitung: Eine Kollegin, die bald wohl zwei Stunden mit Bus und Bahn zur Arbeit braucht (für eine Strecke!) fragt: "Wo bleibt da mein Leben?”.

Energiewende und CO2-Bilanz

Klimawandel und Schadstoffbelastung sind Themen, die zurzeit heiß diskutiert werden. In Darmstadt wurden Maßnahmen wie Straßensperrung für Diesel älterer Bauart beschlossen, es wird über 30er-Zonen diskutiert, das Fahrrad als die Alternative zum PKW gepriesen. Das ist gut und richtig, aber:

Fast 70.000 der knapp 100.000 Arbeitsplätze sind von Menschen besetzt, die nicht in Darmstadt leben. Insgesamt pendeln mehr als 362.000 Menschen jeden Tag nach Frankfurt hinein. Nicht wenige dürften Telekom-Mitarbeiter sein. Und der Trend geht in die völlig falsche Richtung: Die Anzahl der Beschäftigten mit einem täglichen Fahrtweg von mehr als 50 Kilometern ist in den vergangenen 20 Jahren von 13 auf 21 Prozent gestiegen. Spürbar und hörbar jeden Morgen in den Staumeldungen im Radio.

Wer Schadstoffbelastung senken will, der muss sich diesem Problem zuwenden. Das Pendeln ist oft eine Folge der Standortpolitik von größeren Unternehmen. Sie "schließen" Standorte um die Arbeit an einem neuen Ort anzubieten oder die Arbeit an anderen bestehenden Standorten zu zentralisieren. Da es im Kapitalismus keine gesamtgesellschaftliche Planung gibt bleibt dieses Thema in der zurzeit geführten Klima-Diskussion eher unterbelichtet. Im Gegenteil: Die Städte und Kommunen stehen untereinander in Konkurrenz möglichst viele Unternehmen in ihre Stadt zu locken, schon wegen der Gewerbesteuer und den klammen Kassen. In diesem Jahr werde die Stadt die Grenze von 100.000 Pendlern am Tag überschreiten, sagt Darmstadts Oberbürgermeister Partsch und klingt dabei fast stolz.

Pendeln macht krank...

Besonders gefährdet für dauerhafte negative gesundheitliche Folgen sind nach einer Studie des Institutes für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) Pendler, die täglich mehr als 45 Minuten pro Strecke unterwegs sind. Auch Zeitverlust durch Unwägbarkeiten im Verkehr werde als stark belastend eingestuft. Ähnliche Erfahrungen machten auch Bahnfahrer, die auf ihrem Weg mehrmals umsteigen müssen. Und eine repräsentative Forsa-Umfrage unter 505 Erwerbstätigen im Alter ab 18 Jahren im Auftrag der AOK Baden-Württemberg kommt zu dem Schluss, dass 40 Prozent der Erwerbstätigen in Baden-Württemberg ihren Arbeitsweg als Belastung empfinden. Zehn Prozent fühlten sich von Verspätungen beziehungsweise von ausgefallenen oder überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln gestresst.

Eigentlich ein Schlag ins Gesicht der Telekom-Verantwortlichen. Denn jedes neue Standortkonzept der letzten Jahre hatte längere Fahrtstrecken und mehr Pendler zu Folge. Man braucht sich also über einen gestiegenen Krankenstand und erhöhte Fehlzeiten nicht zu wundern. Und die Belastung nimmt im Alter zu.

... und Kapitalismus auch

Klimaschutzpolitik in all ihren Facetten und Wechselwirkungen ist mit der erbarmungslosen Jagd nach Profit kapitalistischer Systeme nicht vereinbar. Solange sich Konzerne so aufstellen können, wie sie wollen, tragen die Beschäftigten die Lasten, die Konzerne die Profite.

Zu lösen sind diese Probleme nur mit gesamtgesellschaftlicher Planung. Wir brauchen eine Wirtschaft, die an den Interessen der Menschen und damit an einer ressourcen- schonenden, umweltfreundlichen Produktion orientiert ist.