Schöne neue Arbeitswelt?

Mobile Working, Desk-Sharing und Future Work bei der Deutschen Telekom. Ein Blick hinter die Kulissen.

Future Work

Wer auf den Karriereseiten der Deutschen Telekom nach Mobile Working, Desk-Sharing oder Future Work sucht, der fühlt sich (sofern er die betriebliche Praxis nicht kennt) wie in einem Disney-Märchenfilm:

Vertrauen, Teilen, Gestalten - unter diesem Motto werden die neuen Arbeitswelten im Konzern eingeführt. Desk-Sharing (also die flexible Nutzung von Arbeitsplätzen) soll die Kommunikation fördern, weil Kollegen, die gerade fachlich zusammenarbeiten müssen, sich ganz unbürokratisch nahe beieinander hinsetzen können. Wer Ruhe braucht, dem stehen Think Tanks zur Verfügung. Zudem gibt es temporäre Projekt- oder Kreativräume.

Wer an einem Tag nicht unbedingt in die Firma zu kommen braucht, der darf sogar zuhause arbeiten oder ganz bequem mit dem Laptop auf den Knien in der Sonne am Strand. Das ist dann Mobile Working.

Mittlerweile sind in Deutschland etwa 18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Future Work Welten umgezogen. Im Kontext aktueller Programme sind weitere Umzüge geplant.

Betriebliche Realität

Die betriebliche Realität sieht leider nicht ganz so rosig aus. Viele Kollegen nervt, dass sie keinen festen Arbeitsplatz mehr haben, dass sie sich ihren Schreibtisch quasi immer neu erkämpfen müssen und vor allem, dass sie gezwungen sind, ihre Unterlagen morgens aus- und abends wieder einzupacken. Die Großraumbüros werden als laut und eng empfunden. Vertrauensleute der ver.di - Betriebsgruppe Telekom Südhessen brachten die Situation bei der DGB-Demo zum 1. Mai in Darmstadt drastisch zum Ausdruck, indem sie sich als Legehühner verkleidet haben.

Bei Lichte besehen, geht es dem Arbeitgeber bei der Einführung des Desk-Sharing-Konzepts keineswegs um das Wohl der Beschäftigten. Man will ganz einfach Kosten sparen. Der Personalabbau der vergangenen Jahre kombiniert mit der Mehrfachnutzung von Arbeitsplätzen ermöglicht das Abmieten ganzer Gebäude. Dass sich die Arbeitsbedingungen dabei verschlechtern, wird billigend in Kauf genommen.

Aber natürlich soll die Arbeitsproduktivität nicht sinken. Auch dem Management dürfte bekannt sein, dass die Konzentrationsfähigkeit in Großraumbüros nachlässt. An dieser Stelle kommt ein anderes Zaubermittel ins Spiel: Mobile Working. Die Beschäftigten müssen sich den Stress in der Firma ja nicht antun, sie können zuhause arbeiten.

Leider ist auch das nicht die Idylle, welche die Werbung verspricht. Die Hans-Böckler-Stiftung hat Studien gesammelt, aus denen hervorgeht, dass Menschen zuhause nicht nur konzentrierter arbeiten, sondern auch schnell mal Pausen vergessen. Es gibt kein gemeinsames Mittagessen mit KollegInnen. Es wächst zudem die Bereitschaft, auf Anforderung den Arbeitstag zu zerstückeln. ("Bikini-Schichten")

Mobile Working und lange Anfahrtswege

Etliche Kolleginnen und Kollegen haben allerdings fast keine andere Wahl, als die Mobile-Working-Angebote zu nutzen. Nach Jahren der Standortzerschlagung und der Konzentration der Betriebe an wenigen Orten in den Ballungszentren haben sie inzwischen Anfahrtswege, die in keinem Verhältnis zur Bezahlung stehen. Wenn sie zuhause arbeiten, können sie wenigstens an einigen Tagen die Fahrtkosten und -zeiten sparen. Dass sie den persönlichen Kontakt zu den Kolleginnen vor Ort zu verlieren, nehmen sie dafür in Kauf.

Andererseits hat das Management in der Vergangenheit manchmal nach Standortschließungen die Möglichkeit des Mobile Working ausdrücklich verweigert. Diese sehr willkürlich erscheinende Regelung hatte ein klares Ziel: Man rechnet damit, dass etwa ein Drittel der betroffenen Beschäftigten die Telekom mit einer Abfindung verlassen würden.

Ausblick und Schlussfolgerung

Vor diesem Hintergrund sollte die schönfärberische Telekom-Propaganda umformuliert werden:

Future Work

  • Neue Bürowelten mit Arbeitsbedingungen, die die Beschäftigten zwingen, zuhause zu arbeiten
  • Mit Desk-Sharing die Mietkosten senken auf Teufel komm raus
  • Mit Mobile Working selbst zuhause stets dem Arbeitsergebnis verpflichtet sein - und abwarten, wie ver.di den nächsten Streik organisiert bekommt, wenn niemand mehr vor Ort ist.