Reorganisation in Permanenz

Standortreduzierung und Personalabbau

Wenn es eine "Konstante" in der Entwicklung der Telekom seit der Privatisierung gibt, so sind das die ständigen Umorganisationen des Unternehmens auf allen Ebenen. Verbunden sind diese Umorganisationen fast immer mit der Verlagerung oder Schließung von Standorten.

Rückblick

Die "alte Bundespost" war als eine "bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau" im Grundgesetz verankert, wurde von einem Minister geleitet und hatte vorrangig dem Gemeinwohl zu dienen. Ein Bestandteil dieses Gemeinwohls war auch eine entsprechende Flächenpräsenz. Die heftig umstrittenen Postreformen I und II machten dieser Konstellation unter tätiger Mithilfe der SPD ein Ende. Ohne die SPD hätte Schwarz-Gelb 1994 nämlich keine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Grundgesetzänderung und den späteren Börsengang gehabt. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Angebot von Post-, Postbank- und Telekommunikationsdienstleistungen nicht mehr von Daseinsvorsorge und Infrastrukturauftrag, sondern von Dividende und Börsenkursen bestimmt.

Flächenpräsenz und Personalabbau

Flächenpräsenz bedeutet zweierlei: zum einen als Unternehmen in der Fläche präsent zu sein, zum anderen aber auch heimatnahe Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen.

Nach der Privatisierung der Bundespost wurde das mehr oder weniger schnell über Bord geworfen. Jede Umorganisation/Standortkonzept hier im Einzelnen aufzuführen würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Daher nur ein paar Stichpunkte: Telekom-Kontakt; Trennung in GK-PK; statt "Einheitsniederlassungen" (die alten Fernmeldeämter) spezialisierte GK-, PK-, und Netzniederlassungen; Ausgliederung der Servicegesellschaften; Standortschließungen in den Bereichen Geschäftskundenservice, Vertrieb und IT; Standortkonzept DTTS und Umorganisation "Einfach anders". Zusammenfassend lässt sich eines sagen: Als Folge dieser Maßnahmen wurden Standorte geschlossen und Hauptstandorte in den großen Ballungszentren zusammengefasst.

Zwar können die betroffenen Mitarbeiter auch an den neuen Standorten weiter arbeiten. Sehr viele mussten jedoch den Wohnort wechseln oder aber stundenlange tägliche Anfahrtswege in Kauf nehmen. Offensichtlich rechneten die Verantwortlichen damit, dass eben nicht alle einen Standortwechsel mitmachen können. Wenn nicht, ist das eben deren Schuld oder persönliches Schicksal. "Personalabbau durch die Hintertür" nannte dies ein ver.di-Funktionär aus NRW zu Recht. Und die Realität bestätigt das: Beim Standortkonzept der DTTS landet nur ein Bruchteil der Beschäftigten an den Zielstandorten. Das von der Deutschen Telekom immer wieder propagierte Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird damit ad absurdum geführt. Von der vom Telekom-Vorstand in zahlreichen Hochglanz-Publikationen viel beschworenen "Work-Life-Balance" ganz zu schweigen.

ver.di und die Organisationsgewalt

Noch zum Ende des Jahres 2010 ist es dem zuständigen ver.di-Fachbereich TK/IT nach monatelangen Verhandlungen gelungen, einen Vertrag zur Standortpolitik der Telekom zu vereinbaren. Dieser Vertrag, der unter anderem regionale Beteiligungsausschüsse vorsieht, sollte die Grundlage für den weiteren Umbau der Telekom sein und "die Willkür des Managements" stoppen. Und weiter: "Es geht darum, in den nächsten Jahren, soweit möglich, die Arbeit bei den Menschen zu lassen und sie in ihrem sozialen Umfeld abzusichern".

Spätestens beim nächsten Standortkonzept der Telekom wurde deutlich: Ziel verfehlt. So musste ver.di verkünden: "Dank des Protestes und der Aktionen der Beschäftigten und vieler Solidaritätsunterschriften und Solidaritätsbekundungen konnten zahlreiche Abmilderungen erzielt werden. Festzuhalten ist trotzdem, dass die arbeitgeberseitig vorgesehenen Standortreduzierungen unnötig sind und bleiben. Sie belasten in aller erster Linie die Beschäftigten z.B. mit zusätzlichen Fahrtzeiten." (Standortkonzept DTTS, 2015)

In der innergewerkschaftlichen Diskussion spielte die Frage ob mit mehr und besser vernetzten gewerkschaftlichen Aktionen bis hin zu Streiks nicht mehr herauszuholen gewesen wäre. Nein, nichts zu machen, die Telekom habe nun mal die Organisationsgewalt, war die gewerkschaftsoffizielle Antwort. Das wirft Fragen auf: Mangelnde Aktions- und Durchsetzungsfähigkeit? Oder reicht es ver.di aus als Sozialpartner bei Verhandlungen mitwirken zu können? Fragen die innerhalb unserer Gewerkschaft diskutiert werden müssten.

Ausblick

Das Ende der Fahnenstange ist in Sachen Standortkonzepte sicher noch nicht erreicht. Gerade der Bereich Technik/Netze wird sicherlich auf der Agenda stehen. Auf Grund des laufenden Breitbandausbaus hat man sich gerade an diesen Bereich wohl noch nicht getraut. Aber auch aus den Innendienstbereichen von Technik/Netze wurden schon Teile der Belegschaft an andere Standorte versetzt und zusammengezogen. Man muss kein Hellseher sein um zu ahnen, dass sich in diesem Bereich die nächste Umorganisation abzeichnet.

Der Konzern betreibt eine systematische Aussonderung Älterer und will diese durch billigere - meist jüngere - Kräfte ersetzen. Die Telekom will sich eine Belegschaft zimmern, die grenzenlos flexibel ist - die sie je nach der jeweiligen Marktlage ausdehnen oder zusammenziehen kann. Beschäftigung, die nur noch eine Funktion der kurzfristigen Profitstrategie des Unternehmens ist.

Dieser Effekt aller vergangenen Umorganisationen/Standortkonzepte ist Folge der Telekom-Privatisierung und des Strebens nach maximaler Aktionärsrendite.

Die Privatisierung war ein Irrweg. Sie kann und muss wieder rückgängig gemacht werden.

Über die alte gewerkschaftliche Forderung "Wegezeit ist Arbeitszeit" muss aktuell wieder nachgedacht werden. Sicher kein Allheilmittel, aber zumindest ein guter Ansatz um zu verhindern das die Telekom ihre Beschäftigten hunderte von Kilometer zu ihren zentralisierten Standorten mit Bus, Bahn und PKW fahren lässt.