Breitbandausbau
Einfach.Anders.Machen
Was wurde in Sachen Breitbandausbau von Politikern schon alles versprochen. Im Jahr 2009 kündigte Angela Merkel "flächendeckendes Breitband für alle bis 2010" an. 2010 versicherte die Bundeskanzlerin, dass bis 2014 75 Prozent der Haushalte über "mindestens 50 Megabit" verfügen würden. 2011 versprach der damalige FDP-Wirtschaftsminister, dass bis 2018 50 MBit/s "flächendeckend verfügbar seien". 2012 verkündete das Wirtschaftsministerium noch mehr, nämlich dass durch die "Kräfte des Markts" bis 2018 "wirklich jeder mindestens 50 MBit/s bekommt". 2013 lässt die Bundesregierung wissen, dass 75 Prozent der Haushalte bis 2014 über 50 MBit/s verfügen könnten und dass der "Breitbandausbau zügig vorangeht". 2014 relativierte Frau Merkel ihr Versprechen von 50 MBit/s bis 2018: "Ich hoffe, dass wir das (was auch immer, der Autor) auch wirklich erreichen." Gleichzeitig kündigte sie "viel größere Bandbreiten" an, und zwar für "jeden Haushalt". Das Ergebnis ist bekannt.
Kurzer Blick zurück
Bei der Erörterung der Frage, wo es denn klemmt, lohnt sich ein kurzer Blick in die Vergangenheit.
Die Grundversorgung für Telekommunikation wurde von der öffentlichen Hand erbracht und war mit dem daseinsvorsorgerischen Grundgedanken verknüpft, diese Leistungen für die Bürgern flächendeckend und solidarisch zu fairen Preisen zu erbringen. 1989 flossen trotz interner Quersubventionierung jährliche Überschüsse in Höhe von rund fünf Milliarden DM an den Bundeshaushalt.
Und erstaunlich: Anfang der Achtzigerjahre gab es bereits Pläne für den Ausbau eines Glasfasernetzes in Deutschland. Das berichtet die "WirtschaftsWoche" unter Berufung auf bisher unveröffentlichte Dokumente einer Kabinettssitzung. "Sobald die technischen Voraussetzungen vorliegen, wird die Deutsche Bundespost aufgrund eines langfristigen Investitions- und Finanzierungsplanes den zügigen Aufbau eines integrierten Breitbandglasfasernetzes vornehmen". Der damalige Bundespostminister Gscheidle legte dem Bundeskabinett einige Wochen danach einen 30-Jahres-Plan vor. Ab dem Jahr 1985 sollte die Bundespost in jedem Jahr ein Dreißigstel des Bundesgebiets mit Glasfaser ausrüsten. "Für den Ausbau ist bei einem jährlichen Investitionsvolumen von drei Milliarden Mark ein Zeitraum von 30 Jahren zu veranschlagen", erklärte Gscheidle.
Wie wir wissen, kam es anders und so wie vom damaligen Vorsitzenden der Deutschen Postgewerkschaft (DPG), Kurt van Haaren, prophezeit: "Der Gewinn (steht) im Vordergrund und eben nicht mehr der Bürger - auch nicht mehr der Anspruch, Stadt und Land, Arm und Reich und private Haushalte und Klein- und Großkunden gleich zu behandeln und gut zu versorgen. Die kleinen Leute werden die Verlierer sein".
Späte Erkenntnis
Manche Aussagen von Politikern können noch überraschen. Vielleicht weil sie aus einer Ecke kommen, aus der man das nicht erwartet. Der frühere EU-Digitalkommissar Günther Oettinger kritisiert eine zu starke Gewinnorientierung der Deutschen Telekom beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. "Die Telekom, die nur noch zu 32 Prozent dem Bund direkt und indirekt gehört, ist keine Caritas. Die investierten nur dort, die legen nur Glasfaser, machen nur dort Vectoring, bauen nur dort 5G, wo ein Business-Case dahinter steht im ländlichen Raum", sagte Oettinger 2017 auf einer Tagung der VDI (Verein Deutscher Ingenieure). Vielleicht sei es ein Fehler gewesen, "dass man damals die gute alte Postanstalt des Bundes dreigeteilt hat". Ebenso wie Schiene, Straße, Wasser und Abwasser sollte auch die digitale Infrastruktur eine "Quasi-Daseinsvorsorge" sein.
Den Apologeten der "sozialen Marktwirtschaft" bei Grünen und FDP schwebt anderes vor. Sie wollen den Bundesanteil an der Telekom vollständig verkaufen, um damit den Glasfaserausbau zu finanzieren. Auch aus der CDU hört man die gleichen Töne. Heißt übersetzt: Wenn jetzt Steuergeld dafür verwendet werden Glasfaserkabel zu verlegen, dann folgt das dem sattsam bekannten Verfahren: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.
Und die Beschäftigten?
Die Deutsche Bundespost war kein maroder Betrieb, sondern mit rund 500.000 Beschäftigten ein bedeutender Arbeitgeber. Die Zeche für die Privatisierung zahlten die Beschäftigten: mit Personalabbau, familienfeindlichen Arbeitszeitmodellen sowie zahlreichen Umorganisationen, damit verbundenen längeren Fahrtzeiten zum Arbeitsplatz. Neu eingestellte Mitarbeiter erhalten weniger Gehalt als schon länger beschäftigte Kollegen. Es wird immer mehr auf Leiharbeiter und Saisonkräfte aus dem Billiglohnsektor zurückgegriffen. Teilbereiche werden ausgelagert. Im Gegenzug sind seit der Privatisierung die Vorstandsgehälter fast um das Doppelte angehoben worden.
Entgegen landläufiger Meinung konnte die massive Arbeitsplatzvernichtung bei den Telekombetrieben längst nicht durch einen Stellenzuwachs bei ihren neuen "Wettbewerbern" kompensiert werden.
Im Bereich der Technik hat man den Personalabbau dermaßen überzogen, dass die Planungsziele für den Breitbandausbau nur noch zu erreichen waren, indem mit einem internen Verschiebebahnhof Beschäftigte aus anderen Bereichen umgesetzt wurden. Planung sieht anders aus.
Und nun?
Eine Umorganisation der jüngsten Zeit wurde überschrieben mit den Worten "Einfach anders." Seither werden die Beschäftigten in der internen Kommunikation mit den Worten "Einfach.Anders.Machen" genervt.
Was wäre eigentlich, wenn die Beschäftigten das ausnahmsweise mal ernst nehmen? Nach leidvollen Erfahrungen mit Privatisierungen in Stadt und Land ist Rekommunalisierung wieder populär. Die Praxis zeigt: Öffentlich funktioniert besser. Die Rücknahme der Mega-Privatisierungen von Post, Telekom, Bahn und anderen Bereichen sollten auf die Tagesordnung gesetzt werden. Sie gehören in öffentliche Hand und unter demokratische Kontrolle durch die Beschäftigten.