Zur Karriere des Organisators der Ermordung von Liebnecht und Luxemburg

ZUR ERMORDUNG VON KARL LIEBKNECHT UND ROSA LUXEMBURG: WALDEMAR PABST - MILITÄR, AGENT, FASCHIST, MANN DER INDUSTRIE IN DREI LÄNDERN

Von Doris Kachulle*

Es fehlte nicht viel, und Major a.D. Waldemar Pabst hätte von der Adenauer-Regierung das Bundesverdienstkreuz dafür bekommen, dass er Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht liquidieren ließ; eine Tat, die er Anfang 1962 erstmals öffentlich zugab. "Jedenfalls ist Ihnen dafür jetzt eine amtliche Anerkennung zuteil geworden", stellte der "Spiegel" damals in einem Gespräch mit ihm fest, "der Sie sogar zu Hitlers Zeiten hatten entraten müssen. Das bundesamtliche Bulletin vom 8. Februar 1962 hat die Ermordung Liebknechts und Luxemburgs für standrechtliche Erschießungen ausgegeben und sich Ihre Deutung der Tat zu eigen gemacht, dass nämlich Deutschland nur so vor dem Kommunismus habe bewahrt werden können."

In welcher Zeitung Pabst sich als Organisator des Doppelmordes vorgestellt hatte, war im Bulletin des Bundespresseamtes weggelassen worden und auch nicht im "Spiegel" zu finden. Das war offenbar Absicht. Die Öffentlichkeit sollte nicht auf bestimmte Zusammenhänge gestoßen werden, die denn auch nie ans Licht gekommen sind. Pabst hatte sich in einer Abonnements-Zeitung geäußert, die "Das deutsche Wort" hieß und von ihm mit herausgegeben wurde. Im Verfassungsschutzbericht von 1962 wurde es als rechtsradikal bezeichnet, gleichwohl wurde es von Bonn subventioniert. Das Bundesverteidigungsministerium, das Gesamtdeutsche Ministerium und das Bundespresseamt kümmerten sich darum; auch Verbindungen zum Bundesnachrichtendienst sind belegbar. Pabst war ein wichtiger Mitarbeiter des Propagandaapparats dieser Instanzen.

Pabst hat den Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht als Protofaschist organisiert und stand bereits in den 20er Jahren auf faschistischen Positionen. Dabei war er nie "Nur-Militär", sondern immer auch ein Mann der Industrie. Er machte sich ihre Interessen zu eigen, er versuchte, diese mit allen Mitteln durchzusetzen und arbeitete dafür auch im Geheimdienst. Und: er arbeitete eben auch nicht nur mit Konservativen zusammen. Wenn es gegen die Kommunisten ging und wenn er sich einen Erfolg davon versprach, schloss er auch Bündnisse mit Sozialdemokraten und Liberalen. Ein Faschist mit viel Sinn für Realpolitik, den die offizielle Geschichtswissenschaft als Desperado und Abenteurer hingestellt hat, als habe Major a.D. Waldemar Pabst außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft gestanden. Das schon zitierte Bulletin stilisierte Pabst sogar zum Nazigegner: "Pabst ist ein bekannter Freikorpsführer gewesen und im Nazi-Reich von der Gestapo verhaftet worden. Einer nochmaligen Festnahme entzog er sich durch die Flucht in die Schweiz".

Doppelmord mit geheimdienstlichem Hintergrund?

Die Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht kamen aus einer regulären Heeresdivision, der Garde-Kavallerie-Schützen-Division (GKSD), deren Stabschef Waldemar Pabst war. Die GKSD war vom Rat der Volksbeauftragten entgegen öffentlichen Verlautbarungen nicht aufgelöst worden und bildete den Kern der neuen Reichswehr.

Die Mörder als Freikorpsleute zu bezeichnen, erweckt den irreführenden Eindruck, als hätten sie spontan und ohne Wissen der Staatsmacht ihrem Hass auf zwei radikale Linke freien Lauf gelassen haben. Es gibt Anzeichen dafür, dass hinter dem Mord der militärische Nachrichtendienst steckte; ein in diesem Rahmen während des Krieges entstandenes Personengeflecht von Militärs, Großindustriellen und rechten Sozialdemokraten.

Die bekanntermaßen an der Mordaktion beteiligte Antibolschewistische Liga (AL) war im wesentlichen nichts anderes als eine Tarnorganisation der Nachrichten- Abteilung (III B) des Großen Generalstabs. Hugo Stinnes, der im Januar 1919 dafür sorgte, dass die AL große Summen aus der Privatwirtschaft bekam, ist engstens mit General Ludendorff verbunden gewesen, der die Abteilung IIIB großgemacht hat. Stinnes hat in der ersten Zeit auch die Garde-Kavallerie-Schützen-Division in Berlin alimentiert, und Pabst hat jahrelang mit ihm zusammengearbeitet. Ebenso mit Gustav Stresemann, der die von Stinnes gleichfalls finanzierte Deutsche Volkspartei (DVP) führte. Pabst war häufig bei Stresemann zu Hause und konferierte mit ihm über die Möglichkeiten "der Beseitigung der Novemberverbrecher aus der Regierung" (Pabst).

Als Verschwörer gegen die parlamentarische Republik immer dabei

Im Juli 1919 machte Pabst einen ersten Putschversuch. Er wurde nicht entlassen (Noske log), er sollte lediglich versetzt werden , zog es dann aber vor, den Dienst zu quittieren, um in Berlin bleiben zu können. Als Geschäftsführer der "Nationalen Vereinigung" hat er auch den Kapp-Putsch mit vorbereitete. Aus der Literatur ist bekannt, dass Stresemanns DVP im Erfolgsfall bei dieser ja auch von oder über Stinnes gesponserten Unternehmung mitgemacht hätte. Dass Stresemann schon bei der Vorbereitung derart eng mit Pabst kooperierte, ergibt sich aus Briefen von Pabst und anderen unveröffentlichten Dokumenten. In diesen Briefen macht Pabst auch Andeutungen über die Verstrickung der Sozialdemokratie in diesen Staatsstreichversuch.

Wir wissen, dass rechte Sozialdemokraten auf der Kabinettsliste der Verschwörer gestanden haben, aber wenig Konkretes darüber, womit sie sich dieses Vertrauen verdient hatten. Zu vermuten ist, dass für solche SPD-Leute im Vordergrund stand, dass die Verschwörer alle Hebel in Bewegung setzten, um Deutschland durch eine Beteiligung an einem Interventionskrieg gegen die Sowjetunion außenpolitisch wieder ins Spiel zu bringen. Mit diesem Ziel hatten sie sich mit vielen prominenten weißgardistischen Emigranten verbündet und ihnen mit Hilfe der Industrie den Aufbau eines antisowjetischen Nachrichtenapparates ermöglicht, der bis in die NS-Zeit hinein aktiv und wirkungsvoll war.

Als Pabst diese Emigrantenszene in Vorbereitung des Kapp-Putsches organisierte, konnte er sich auf den preußischen Verfassungsschutz stützen, das Staatskommissariat für öffentliche Ordnung, das praktisch eine Abteilung eines Kölner Industriekonzerns war. Aufgebaut mit den Geldern des Eisen- und Schrotthändlers Otto Wolff und seines Kompagnons Othmar Strauß, die zu den großen Kriegsgewinnlern gehörten. Und Strauß hatte bis zum Kapp-Putsch sogar selbst eine Schlüsselfunktion in dieser Behörde!

Als Deutschtumsagent: Organisator der Heimwehr in Österreich

Nach dem Kapp-Putsch, der eigentlich Ludendorff-Putsch heißen müsste, hat Pabst gut ein Jahrzehnt in Österreich gewirkt. Von Innsbruck aus machte Pabst die österreichische Heimwehr als schwer bewaffnete "antimarxistische" Bürgerkriegstruppe zu einer bundesweiten einheitlichen und straff geführten Massenorganisation; er war ihr eigentlicher und tatkräftigster Exponent. Die deutsche Regierung hatte Pabsts Steckbrief nur fürs Volk herausgehängt. In Berlin war sein Aufenthaltsort von Anfang an bekannt, und auch die christlichsoziale Tiroler Landesregierung wusste, wem sie den Aufbau ihrer Heimwehr anvertraut hatte. Auch in Innsbruck stand Pabst mit dem militärischen Nachrichtendienst in Verbindung. Ich wage die Hypothese, dass die Tiroler Heimwehr als politische Bewegung überhaupt ein Produkt der deutschen Abwehr gewesen ist. Deren terroristischer Arm war die Organisation Consul (OC); das ist nicht die vorherrschende Auffassung in der Geschichtswissenschaft; auch die einschlägige DDR-Historiographie hat die OC nicht als Teil der Abwehr begriffen. Aber nach gründlicher Beschäftigung mit der Materie bin ich überzeugt, dass Ernst v. Salomon, der selber OC-Mitglied gewesen ist, recht hat, wenn er diese Organisation in seinem autobiographischen sarkastischen Entnazifizierungsroman "Der Fragebogen" (1951) als Arm der Abwehr charakterisiert hat.

Pabst war in Österreich Anlaufstelle für viele der Täter und Mittäter der Erzberger- und Rathenaumorde und anderer Terrorakten der Organisation, wobei die christlichsoziale Landesregierung von Tirol ihm sogar half, für seine Klientel falsche Papiere oder Arbeitsstellen zu beschaffen. Pabst war auch am Ludendorff-Hitler-Putsch vom 9. November 1923 beteiligt. Als Kapp-Putschist fiel er im August 1925 unter eine nicht zuletzt von Gustav Stresemann durchgesetzte Amnestie, und anschließend arbeitete Pabst auch für das Auswärtige Amt: Als "Deutschtumsagent", als Berichterstatter und Berater des "Anschluss"-Freundes Stresemann, als Verbindungsmann zwischen dem deutschen Außenminister und der Tiroler Landesregierung und als Verbindungsmann zwischen dem Außenminister und der österreichischen Bundesregierung.

Da Stresemann Probleme hatte, die "Repräsentationszulage" für Pabst im Budget seines Auswärtigen Amts unterzubringen, wurde Pabst Ende 1926 in den Etat des Deutschen Schutzbundes für das Grenz-und Auslandsdeutschtum (DSB) übernommen, der beträchtliche Summen aus Geheimfonds des Auswärtigen Amtes und des Innenministeriums erhielt; Aus der Pabst-Stresemann-Korrespondenz ist ersichtlich, dass bei dem mit dem Schutzbund getroffenen Arrangement auch Othmar Strauß seine Hand im Spiel gehabt hat, "unser gemeinsamer Freund" (Pabst). Der Otto Wolff-Konzern war an der vom deutschen Stahltrust kontrollierten Alpine Montan- Gesellschaft in der Steiermark beteiligt, dem größten österreichischen Hüttenwerk ; wie überhaupt das deutsche Industrie- und Bankkapital zunehmend und systematisch die Wirtschaft des Landes durchdrang.

Doch Pabst taktierte und machinierte so geschickt, dass ihn die Öffentlichkeit durchweg nicht als Repräsentanten einer großdeutschen Politik ansah, sondern eher den Eindruck gewann, dass er die Heimwehr zu einem Instrument des Mussolini-Faschismus zu machen versuchte und für eine Achse Rom-Wien-Budapest war. "Ein Agent der italienischen Politik", so hat ihn z.B. auch Carl von Ossietzky in der "Weltbühne" beschrieben, und so wird er auch heute noch durchweg gesehen. Daher ist es auch nicht im historischen Bewusstsein, dass ein Agent der deutschen Reichsregierung die Bedingungen mit geschaffen hat, die zu den Ereignissen um den 15. Juli 1927 führten (Stichwort: Wiener Bastillensturm) und damit zur Wende in der österreichischen Politik. Von Anfang an hatte Pabst die Heimwehr auf den "Entscheidungskampf" mit der austromarxistischen Sozialdemokratie und ihrer Parteiarmee, dem Republikanischen Schutzbund orientiert.

Anlässlich des 10. Jahrestages der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts referierte Pabst in Berlin am 16. Januar 1929 in dem vom Deutschen Schutzbund betriebenen Volksdeutschen Klub über "Die österreichischen Selbstschutzverbände und die innere Lage Österreichs". In den folgenden Tagen konferierte er einmal mehr mit Stresemann, er wurde auch von Alfred Hugenberg empfangen und führte Geheimverhandlungen mit dem Stahlhelm. Im Mai 1929 wäre es fast herausgekommen, dass Pabst in Österreich deutsche Regierungspolitik machte. Das Berliner Tageblatt berichtete, dass ihm offenbar über den Deutschen Schutzbund Reichsgelder aus Geheimfonds für Grenzland- und Deutschtumsarbeit zugeflossen seien. Innenminister Carl Severing ließ verlautbaren, dass er seine Zahlungen an den Schutzbund eingestellt habe, bis die Sache durch eine gründliche Untersuchung geklärt sei. Die Öffentlichkeit wurde belogen und beruhigt, und als das Interesse abgeflaut war, nahm Severing die Zahlungen wieder auf.

Als Vertreter der Rüstungsindustrie: Brückenbauer zwischen Faschismus und Konservatismus

Im Herbst 1931kehrte Pabst nach Deutschland zurück und bekam eine Direktorenstelle beim staatlich kontrollierten Rheinmetall-Konzern, und zwar im Berliner Büro des Konzerns "zur besonderen Verwendung der Generaldirektion". Da es konkret um illegalen Waffenhandel und die geheime Forcierung verbotener Rüstungsprojekte ging, sollte seine Anstellung nicht bekannt werden. Nach außen hin führte er die Existenz eines Verlegers. Er war Teilhaber des renommierten nationalistischen Verlages "Tradition" geworden und kümmerte sich tatsächlich auch um dieses Geschäft. Er behauptete, keine Beziehungen mehr zur Heimwehr zu haben. Doch auch in Berlin verging kein Tag, an dem sich Pabst nicht mit Angelegenheiten der Heimwehr befasste. Fürst Ernst Rüdiger von Starhemberg, der um diese Zeit an der Spitze der Heimwehr stand, machte ihn zum "alleinigen bevollmächtigten Vertreter der österreichischen Heimatschutzbewegung im deutschen Reich."

Pabst sähe sich selbst als Faschist und plädiere dafür, in Deutschland ein "leicht modifiziertes Mussolini-System" zu errichten, hatte die Presse nach seiner Rückkehr berichtet. Pabst leitete die von ihm mit gegründete Gesellschaft zum Studium des Faschismus (GSF), die " in der faschistischen Staats- und Wirtschaftsidee grundsätzlich eine Lösungsmöglichkeit aus der gegenwärtigen deutschen Krise erblickte." Im Rahmen der GFS arbeitete er auch mit prominenten Nationalsozialisten wie Hermann Göring zusammen, mit dem er spätestens nach dem Ludendorff-Hitler Putsch in ein enges Verhältnis gekommen war, als er den schwerverwundeten Göring in Innsbruck unter seine Fittiche genommen hatte.

Außerdem hatte Pabst auch ständig in Sachen Heimwehr mit Göring zu tun. Beide bemühten sich, eine Einheitsfront Heimwehr/NSDAP zustande zu bringen, und Pabst konferierte in diesem Zusammenhang auch mit Adolf Hitler. Pabst im Juni 1932 an einen österreichischen Industriellen: "Ich könnte mich nie und nimmer dazu hergeben, etwas gegen die NSDAP -Bewegung zu unternehmen, sondern nur in einer gemeinsamen Linie mit derselben. Das erfordert nicht nur meine Überzeugung, sondern auch meine Tätigkeit in Deutschland." Wie Pabst dann dennoch unter den Nazis im Juni 1934 auf die Proskriptionsliste geriet (Stichwort: Röhm-Affäre), ist ungeklärt. Er kam in Haft, wurde aber nach sechs Wochen wieder freigelassen. Göring, von Papen und andere Freunde hatten sofort interveniert; anschließend bescheinigte ihm die Gestapo seine Unschuld: "Die wegen des Verdachts der Teilnahme an der Röhmrevolte geführten Ermittlungen gegen Major a.D. Waldemar Pabst haben keinerlei belastendes Material erbracht."

Scharnierfigur zwischen deutscher und schweizer Kriegswirtschaft

Im Juni 1938 wurde Pabst von Hitler zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. Nach Kriegsbeginn tat Pabst im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt Dienst. Er war als erster Generalstabsoffizier unter seinem Freund General Georg Thomas Verbindungsoffizier zum Oberkommando des Heeres und hat zum Beispiel wichtige Entscheidungen hinsichtlich der Okkupationspolitik in Polen mitbekommen und mitgetragen. Richtig ist, dass Pabst ab Frühjahr oder Frühsommer 1940 keinen regulären Dienst mehr tat und dass er auch nicht mehr die Abteilung "Zentrale Verkauf Waffen" bei Rheinmetall-Borsig unter sich hatte. Im September 1940 ließ er sich in Berlin als Hauptgesellschafter der "Auslandshandel GmbH" registrieren. Über deren Tätigkeit konnte ich in deutschen Archiven jahrelang keine Belege. Meine Erkenntnisse stammen aus einem Aktenbestand der Schweizer Staatsschutzbehörde, zu dem ich mir in einer langwierigen Auseinandersetzung Zugang erkämpft habe.

Danach war die "Auslandshandel GmbH", eine Im- und Exportfirma , die zu einer hauptsächlich im neutralen Ausland operierenden Tarnfirmenorganisation gehörte, die im Auftrag des NS-Regimes laufend kriegs- und ernährungswichtige Waren und Rohstoffe aufkaufte. Außerdem diente sie auch nachrichtendienstlichen Zwecken. Ihren Aufbau besorgte der mit Pabst befreundete aus der Ukraine stammende Geschäftsmann Gregori Messen-Jaschin, der in den 20er Jahren irgendwie die lettische Staatsangehörigkeit erworben hatte. Die Zentrale dieser Organisation wurde 1941 in der Schweiz eingerichtet, die Firma "Sfindex", mit Messen als Verwaltungsratspräsident und zwei Schweizer Strohmännern, die zum eidgenössischen Establishment gehörten.. Die von Pabst geführte "Auslandshandel GmbH" fungierte als Bindeglied zwischen den Tarnfirmen und den einschlägigen wehrwirtschaftlichen Instanzen bzw. bestimmten deutschen Großkonzernen, die an der Sache beteiligt waren, zum Beispiel Siemens, die Frankfurter Metallgesellschaft und der Otto Wolff-Konzern.

Die einzelnen Geschäfte wurden staatlich finanziert, hauptsächlich aus dem Etat des Reichsluftfahrtministeriums. Pabst ist eine wichtige Scharnierfigur zwischen der deutschen und der Schweizer Kriegswirtschaft gewesen. Eine seiner wichtigsten Bezugspersonen in der Schweiz war der Führer des "Schweizerischen Vaterländischen Verband"(SVV), Dr. Eugen Bircher, der als Arzt, Militär und Politiker im öffentlichen Leben der Schweiz eine große Rolle spielte. Dieser organisierte als Beitrag der neutralen Eidgenossenschaft "zum Kampf des Führers gegen den Bolschewismus "(Bircher) die berüchtigte Schweizer Ärztemission. Der SVV, dem Pabst Tips für präventive Aufstandsbekämpfung gegeben hatte, besaß einen eigenen scheinbar privaten Dienst, der faktisch mit der Schweizer Staatsschutzbehörde, der dazu gehörenden Bundespolizei (politischen Polizei) und dem militärischen Nachrichtendienst verkoppelt war. Von daher war auch Pabst mit diesen offiziellen Einrichtungen in Verbindung gekommen, und besonders gut war sein Verhältnis zum Chef der Bundespolizei.

Von August 1943 an hielt sich Pabst dauernd in der Schweiz auf. Er ist in der Schweiz weiterhin als Wehrwirtschaftsführer, Major z.V., Chef der Auslandshandel GmbH und Agent des NS-Regimes tätig gewesen. Gleichzeitig hat er sich in die Bemühungen um einen antisowjetischen Separatfrieden eingeklinkt, für den auch Bircher machinierte, und u.a. versucht, in Bern an den Hauptresidenten des amerikanischen Kriegsgeheimdienstes OSS, Allan Dulles, heranzukommen.

Pabst diente sich dem späteren CIA-Chef mit Nachrichtenmaterial an, einmal, um sich selber eine Perspektive für die Zeit nach Hitler zu eröffnen; er muss aber auch Auftraggeber in Berlin gehabt haben, und vieles spricht in dieser Beziehung für den SD der SS. Dass Pabst Beziehungen zur SS gehabt hat, ist belegbar. Dem sowjetischen Rundfunk zufolge und nach Berichten, die Ende 1944 dem militärischen Nachrichtendienst vorlagen- von absolut seriösen Informanten- wäre Pabst sogar "engster Vertrauensmann von Heinrich Himmler" und als solcher in der Schweiz maßgeblich an der Organisation der" nationalsozialistischen Untergrundbewegung" beteiligt gewesen. Auf alle Fälle gehörte er zu einem Kreis von deutschen und Schweizer Wirtschafts- und Geheimdienstleuten, die an den Strukturen eines antikommunistischen Nachkriegsdeutschlands arbeiteten. Mit Hilfe eidgenössischer Staatsschützer und anderer Leute im Berner Bundeshaus ist es Pabst gelungen, sich eine sehr erfolgreiche Legende zu stricken: Pabst, der Gegner und Verfolgte des Naziregimes …

Im Dienste der psychologischen Kriegführung der BRD gegen die sozialistischen Staaten

In der Bundesrepublik war Pabst u.a. mit dem Bonner Nachrichtenoffizier Achim Oster liiert, dem Sohn des nach dem 20. Juli 1944 hingerichteten Abwehr-Mannes Hans Oster. Oster versuchte im Sommer 1950 erfolglos, dem inzwischen immerhin schon 70jährigen Pabst ebenfalls in Bonn eine feste Position zu verschaffen. Pabsts "Auffassung von der Notwendigkeit einer offensiven Bekämpfung des Bolschewismus" habe "sich seit den Tagen, in denen er die Verantwortung für die Liquidierung Liebknechts und Luxemburgs übernahm, nicht geändert", stand in Osters Empfehlung.

Auch der sozialdemokratische Verfassungsschützer Günter Nollau kannte die Wahrheit, schrieb aber in seinem 1959 erschienenen Buch "Die Internationale": Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht "wurden nach ihrer Festnahme in das Hauptquartier gebracht, von wo aus ihr Schicksal seinen Lauf nahm." Nollau hatte Pabst vor der Publikation seines Buches interviewt und darin dessen Geschichte von der "verräterischen Rolle Wilhelm Piecks" aufgegriffen. Der zusammen mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verhaftete Pieck habe zur Rettung seines Lebens "rote Aufstandspläne" und die Ausweichquartiere anderer spartakistischer Führer preisgegeben. Der Verlag, in dem Nollaus Buch erschien, stand der "Psychologischen Verteidigung" (sprich: Kriegführung ) nahe, genau wie das von Pabst mit herausgegebene Blatt "Das deutsche Wort".

Sein coming out als Initiator der "standrechtlichen Erschießungen zweier im Dienste Moskaus tätigen kommunistischen Volksverhetzer" war von jenen Leuten wohlüberlegt, die Pabst als das "standhafte Kernstück der CDU um den Kanzler " bezeichnete; die auch nach dem Mauerbau die Realitäten des internationalen Kräfteverhältnisses nicht anerkennen wollten. Sein Beitrag war Teil ihrer psychologischen Kriegführung. "Moskau griff schon einmal nach Berlin", war er überschrieben. Pabst legte darin dar, wie das Militär 1919 mit einer vergleichbaren Situation fertig geworden war, und die Legitimierung des Mordes an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht hieß nichts anderes als dies: Es wäre genauso legitim, die Führung der DDR zu liquidieren.

* Die Historikerin Doris Kachulle, Bremen, forscht seit längerer Zeit über Waldemar Pabst. Sie wird demnächst seine Biographie vorlegen. Der vorliegende Beitrag ist die gekürzte Fassung ihres Vortrags auf einer Konferenz des Marxistischen Arbeitskreises zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bei der PDS am 31.8./1.9.2002 in Berlin zum Thema "Konservatismus, Faschismus und sozialistische Bewegung". Ihr Vortrag ist abgedruckt in "GeschichtsKorrespondenz" Nummer 1/9.Jhg. Januar 2003, zu beziehen durch Prof. Dr. sc. Hans-Joachim Krusch, Else-Jahn-Straße 2, 13088 Berlin; Telefon: 030-9263334

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